Wo man zu einem Gott wird – Teotihuacán (Mexico)





Zwischen 100 und 650 nach Christus war Teotihuacán das dominierende kulturelle, wirtschaftliche und militärische Zentrum Mesoamerikas. Auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung besaß die Stadt möglicherweise bis zu 200.000 Einwohner und war damit zu ihrer Zeit die mit Abstand größte Stadt des amerikanischen Kontinents und eine der größten Städte der Welt. Ab etwa 650 begann ihr Einfluss zu schwinden, bis die Stadt um 750 schließlich aus noch nicht vollständig geklärten Gründen weitgehend verlassen wurde. Die Azteken, die bei ihrer Einwanderung ins Hochland von Mexiko Teotihuacan als bereits seit mehreren Jahrhunderten verlassene Ruinenstätte vorfanden, sahen in ihr einen mythischen Ort und benannten sie mit dem bis heute fortlebenden Namen Teotihuacan (wo man zu einem Gott wird).

Die soziale Struktur Teotihuacáns kann nur indirekt rekonstruiert werden, da direkte schriftliche Belege fehlen. Gemeinhin wird die Gesellschaft in der Stadt anhand der unterschiedlichen Ausstattung der Apartment-Compounds in sechs Schichten eingeteilt. An der Spitze standen demnach die Herrscher mit ihren Familien, die in den Compounds in der Ciudadela lebten. Darunter scheint eine Schicht von hohen Priestern und Beamten gestanden zu haben, eventuell unterstützt von Kriegerhäuptlingen. Beide Schichten waren wohl gemeinsam für die Organisation der Stadt zuständig; vermutlich umfassten beide Gruppen nicht mehr als einige tausend Menschen. Der Großteil der Bevölkerung war dagegen Teil der mittleren Schichten, also Bauern und Handwerker sowie niedere Priester bzw. Beamte. Die Einteilung in diese drei Schichten erfolgte hierbei nach den drei Compounds Zacuala-Palast, Teopancaxco und Xolalpan, die jeder für sich jeweils eine Schicht repräsentieren. Zur Unterschicht zählte eine kleinere Anzahl von Familien, die innerhalb eines Compounds nur einen oder zwei Räume bewohnte und kleinere Hilfsarbeiten verrichtete, etwa bei Bauarbeiten. Wahrscheinlich, aber bislang ungesichert, ist zusätzlich die Existenz von reisenden Fernhändlern wie bei den Azteken sowie einer etwas größeren Gruppe von Trägern.

Die Einwohner Teotihuacáns bezogen den Großteil ihrer Nahrungsmittel durch Landwirtschaft.Daneben wurden auch Tiere gejagt, darunter vor allem Hirsche, aber auch Kaninchen und Wasservögel. Domestiziert wurden lediglich Truthähne und Hunde, doch ist es unsicher, ob sie zu Ernährungszwecken gehalten wurden. Da bei den Azteken jedoch Hundefleisch als Delikatesse galt, wird es für möglich gehalten, dass dies auch für die Bewohner Teotihuacáns galt.

Die Frage, ob auch Menschen geopfert wurden, konnte während Ausgrabungen endgültig geklärt werden, die zwischen 1998 und 2004 an der Mondpyramide durchgeführt wurden. Archäologen unter Leitung von Saburo Sugiyama fanden dort mehrere Gräber mit Toten, deren sterbliche Überreste sichtbare Spuren von Gewaltanwendung aufwiesen, aber auch von Menschen, die lebendig begraben worden waren.[19] Da in der Kunst oft auch Motive auftauchen, die mit dem Tod in Verbindung gebracht werden, wird vermutet, dass ein Totenkult existierte.


Für die große wirtschaftliche Bedeutung Teotihuacáns war besonders Obsidian wichtig. Obsidian ist vor allem zur Herstellung von Schneidewerkzeugen geeignet und verhältnismäßig leicht zu bearbeiten.Die Werkstätten waren aufgrund der angewandten Herstellungstechniken sehr produktiv, während gleichzeitig der Verbrauch der aus Obsidian gefertigten Werkzeuge eher gering war. Ein großer Teil davon scheint für den Export gefertigt worden zu sein,

Mit dem Fernhandel wurde dagegen auch ein Teil der Rohstoffe in die Stadt gebracht, der nur wenig oder überhaupt nicht in der Nähe zu finden war. Dazu zählen etwa Baumwolle, Kakao, diverse Edelsteine sowie Keramik aus anderen Regionen; exportiert wurden neben Keramik die oben erwähnt Obsidianwerkzeuge. Der Handel führte zu großem kulturellen Einfluss Teotihuacáns bis in das Territorium des heutigen Guatemala und der USA hinein.

Ab 650 begann die Bevölkerungzahl aus unbekannten Gründen zu schrumpfen. Die Stadt scheint ihre ursprüngliche Bedeutung als wirtschaftliches Zentrum allmählich an Konkurrenten verloren zu haben, bis sie sich schließlich nicht mehr selbst versorgen konnte. Um 750 kam es zum fast völligen Zusammenbruch. Die wichtigsten Gebäude im Zentrum der Stadt wurden niedergebrannt, der Großteil der übrigen Viertel blieb dabei aber weitgehend ohne Schäden. Anzeichen für einen Angriff von außen gibt es nicht. Es wird daher vermutet, dass die Einwohner die Zerstörungen in einem rituellen Akt selbst angerichtet haben, wie es schon von den Olmeken bekannt ist.

Ende 17. Jahrhundert begannen in Teotihuacan archelogische Ausgrabungen die sich vorerst jedoch in ihrem Ausmass in grenzen hielten.

Ende des 19. Jahrhunderts begann der Mexikaner Leopoldo Batresmit einer Reihe von Ausgrabungen und restaurierte dabei einige der Monumente. Er wurde jedoch schwer kritisiert, da während der Ausgrabungen immer wieder Artefakte beschädigt wurden und er in den Augen vieler Archäologen nicht wissenschaftlich arbeitete. Diese Vorwürfe waren nicht ganz unbegründet, denn Batres war kein ausgebildeter Archäologe, sondern hatte seine Kenntnisse durch Eigenstudium erworben. Ein Beispiel für sein offenkundig unprofessionelles Vorgehen ist die Sonnenpyramide die heute fünf Stufenbesitzt ; ursprünglich waren es nur vier. Der archäologische Laie versucht bei der Freilegung, die Pyramide zu restaurieren und ging dabei von der Existenz von fünf Stufen aus. Tatsächlich entstand die heutige vierte Stufe überhaupt erst durch Batres‘ Arbeiten. Laut der Aussage eines Lokalen Touristenführers wurde die Pyramide, auf Druck des Diktators Pirofirio innerhalb 2 Jahren zu einem Jubiläum Ausgegraben. Da dies mit archelogisch korrekten Mitteln je doch nicht möglich war, wurden zur Ausgrabung Sprengsätze eingesetzt die das wertvolle Weltkulturerbe schwerstens beschädigte. Noch immer ist vieles ungeklaert und die Fakten lassen viel Raum fuer Interpretation. Eindruecklich ist der Besuch der sagenumwobenen Ruinen auf jedenfall.


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